Helmut Käutner |
| Kurzbiographie
Helmut Käutner wird am 25. März 1908 als Sohn des Kaufmanns Paul Käutner und seiner Ehefrau Claire, die aus der berühmten Arztfamilie Röngten stammt, in Düsseldorf geboren. 1916 zieht die Familie nach Essen um, wo Helmut das Helmholtz-Realgymnasium besucht. Im ersten Weltkrieg verliert er seinen Vater. 1926, als Käutner mit 18 Jahren das Abitur ablegt, stribt seine Mutter. Schon während der Schulzeit spielt er Theater, wirkt bei einer Laienspielgruppe mit und besucht Schaupielkurse an der Essener Folkwangschule. Daneben nimmt er an einer Kunstgewerbeschule Unterricht in Grafik, Werbung und Innenarchitektur. Ab 1927 studiert er an der Universität München Deutsche Philologie, Kunstgeschichte und Theaterwissenschaft bei Artur Kutscher. Geld verdient er sich als Werkstudent und schreibt Satiren und Kulturberichte für bayerische Provinzzeitungen. Er entwickelt eine besondere Begabung fürs Kabarett. 1928 steht Helmut Käutner auf der Luisenburg in Wunsiedel in Kleists "Hermannsschlacht" zum ersten Mal auf der Bühne und gibt im Kurhaus Bad Elster einen Abend mit Literaturparodien auf Münchhausen und Nataly von Eschtruth. Im Februar 1929 tritt er er zusammen mit anderen Kutscher-Studenten, u.a. Wolfgang Liebeneiner, an den Münchner Kammerspielen in Peter Martin Lampels Stück "Revolte im Erziehungshaus" auf. Das Skandaldrama, das in München außerordentlich großen Erfolg hat, wird noch im selben Jahr verfilmt. Käutner plant eine Dissertation über schwäbische Passionsspiele bei Artur Kutscher zu schreiben, doch gibt er dieses Projekt zugunsten seiner Autorentätigkeit, der Theater- und Kabarettarbeit auf. Zusammen mit seinen Kommilitonen tritt er in eigenen Revuen und Kabarettprogrammen, darunter "Yes Goddam, Allright" (1928) und "Die Sonderbar" (1930) auf. Die Truppe, bestehend aus Käutner, Kurd E. Heyne, Bobby Todd und dem Pianisten Werner Kleine, nennt sich in Anlehnung an das Kabarett der "Elf Scharfrichter", die im "Alten Simpl" auftraten, "Die Nachrichter". 1930 führt Käutner zusammen mit Kurt E. Heyne und Alois Johannes Lippl das parodistische Songspiel "Die Erbrecher, eine Polizeitragödie" auf. Bezugspunkt ist Ferdinand Bruckners Stück "Die Verbrecher", das im November 1929 in den Kammerspielen mit Therese Giehse und Heinz Rühmann Premiere hatte und dann von der Polizei verboten wurde. Nach dem Ausscheiden Werner Kleines stößt der Komponist Norbert Schultze zu der Truppe. 1932 ist Käutner Regisseur, Autor, Schauspieler und Theaterunternehmer und nimmt u.a. Kontakt zu Werner Finck in Berlin auf. Den größten Erfolg verbuchen die vier Kabarettisten Anfang 1932 mit der parodistischen Goethe-Operette "Hier irrt Goethe". Seitenhiebe auf die modischen Filmoperetten werden verteilt und der Rechtsruck der Ufa unter Hugenberg auf die Schippe genommen. Otto Falckenberg lädt die Goethe-Parodie in die Kammerspiele ein, es folgen Auftritte im Münchner Volkstheater. Mit dem Film kommt Käutner erstmals in Berührung durch die Mitwirkung in Louis Ralphs "Kreuzer Emden", der 1932 in München-Geiselgasteig gedreht wird. Ernst Josef Aufricht, der in Berlin Brechts und Weills "Dreigroschenoper" und "Aufstieg und Fall der Stadt Mahagonny" produziert hat, lädt "Hier irrt Goethe" ans Berliner Renaissance-Theater ein. Das Stück läuft allabendlich vor ausverkauftem Haus, die Kritik staunt über "die Erneuerung des Kabaretts aus dem Geist des Seminars" (Viktor Wittner in "Der Querschnitt"). Die "Vier Nachrichter" gehen mit dem Programm auf Tournee durch ganz Deutschland, nach Österreich und Zürich. Im Februar 1933 bringen sie ihre neue Nummernrevue "Der Esel ist los" im Münchner Volkstheater heraus – mit leise glossierenden Bemerkungen zur Machtübernahme der Nationalsozialisten. Nach Gastspielen in Stuttgart und Frankfurt folgt am 12. April die Premiere des Stücks im Berliner Theater am Kurfürstendamm. Nach Auseinandersetzungen mit der Direktion kommt es zur Vertragsauflösung Käutner übernimmt die künstlerische Leitung der nun als Wanderbühne weitergeführten Truppe "Die vier Nachrichter". Er möchte ein unpolitisches literarisches Kabarett mit kulturkritischen und satirischen Glossen machen. Auf Tournee in Leipzig lernt er Erica Balqué, Tochter des Schauspielers und Regisseurs am Leipziger Schauspielhaus, Reinhold Baqué, kennen. Im Februar 1934 heiraten die beiden. Bei Vertragsverhandlungen in Berlin erweist es sich als zunehmend hinderlich, daß die Truppe keiner NS-Organisation angehört. Sie soll sich von ihrem "nicht-arischen" Mitglied Bobby Todd trennen, der daraufhin pro forma ausscheidet. Die anderen werden Mitglieder der NS-Bühnengenossenschaft. Die neue Produktion "Die Nervensäge", eine harmlose Kriminalromanparodie um Heinrich VIII. von England, hat im Mai 1934 in Magdeburg Premiere und läuft zum letzten Mal im Juni 1935 in Köln. Im Sommer entsteht das Songspiel "Der Apfel ist ab", das die Truppe jedoch nicht mehr herausbringen kann. Das Propagandaministerium stuft das Kabarettensemble als "zersetzend und destruktiv" ein und verbietet das Unternehmen, das seine personelle Integrität bis dahin gewahrt hat, am 1.Oktober 1935. Bobby Todd geht 1936 nach Rom und arbeitet als Produktionsassistent beim Film. Kurt E. Heyne wird aus der Reichs-schrifttumskammer ausgeschlossen und emigriert mit seiner jüdischen Frau 1938 in die Schweiz, findet eine Anstellung als Schauspieler und Regisseur am Baseler Stadttheater. Käutner wird ans Leipziger Schauspielhaus engagiert, spielt u.a. in der Komödie "Sprung aus dem Alltag", möchte jedoch in Berlin Fuß fassen. Am Theater am Schiffbauerdamm inszeniert er im Frühjahr 1936 "Fräulein Turandot", nach Carlo Gozzi. 1936 hat die zusammen mit Kurt E.Heyne verfaßte Komödie "Ein Auto geht in See" in Frankfurt Premiere. Kurt E. Heyne schreibt ein neues Programm, "So leben wir", das als "Nachrichter-Revue" angekündigt werden darf und Anfang 1937 am Leipziger Schauspielhaus Premiere hat. Auch beim musikalischen Lustspiel "Juchten und Lavendel", uraufgeführt Ende 1937, darf jedoch Heynes Name nicht genannt werden. In der Spielzeit 1938/39 kürzt Käutner die Revue "Der Apfel ist ab" für Willi Schaeffers "Kabarett der Komiker" zu einem Einakter zusammen. Erwin Bootz, Pianist der "Comedian Harmonists", komponiert die Musik, Regie führt Arthur Maria Rabenalt, Robert Dorsay agiert als Luzifer, Lizzy Waldmüller als Schlange. Goebbels ist begeistert. Nachdem er bereits einige Filmdrehbücher, u.a. "Salonwagen E 417", verfaßt hat, übernimmt Helmut Käutner 1939 bei "Kitty und die Weltkonferenz" seine erste Filmregie. Kurz nach der Premiere wird der Film zu Kriegsbeginn wegen probritischer Tendenzen verboten. Es folgen betont unpolitische Filme, die in privaten Lebenswelten angesiedelt sind. In "Auf Wiedersehen, Frankziska !" mit Marianne Hoppe und Hans Söhnker muß Käutner 1941 auf Anordnung des Propaganda-Ministeriums eine kriegspropagandistische Schlußsequenz einbauen, der er jedoch durch Schwarzfilm und bewußte Achsensprünge vom übrigen Film absetzt. Mit den Melodramen "Romanze in Moll" (1943), dem Farbfilm "Große Freiheit Nr. 7" (1943/44) und dem auf Berliner Gewässern gedrehten Flußschifferfilm "Unter den Brücken" (1944/45), seinem Bekenntnis zum poetischen Realismus, findet Käutner auch international Anerkennung. "Unter den Brücken" kam bis Ende des Krieges nicht mehr in die Kinos, zwei von den vier hergestellten Kopien wuren nach Schweden gebracht. Die bewußt formale, graphische Bildkomposition des Films hat der Kritiker Karsten Witte dem politischen Druck, unter dem Käutner in den letzten Kriegsjahren steht, zugeschrieben. Käutner erlebt das Ende des Krieges in Cuxhaven und geht kurz darauf nach Hamburg. Unter dem Eindruck der Schilderungen seines Dresdner Freundes Bernhard Eichhorn entwirft er ein Drehbuch über Einzelschicksale in einer zerbombten Stadt. Käutner schließt sich mit anderen Berliner Filmkünstlern, die es nach Hamburg verschlagen hat, zusammen, um bei der Reorganisation von Theater, Film und Rundfunk mitzuarbeiten. Er inszeniert am Hamburger Schauspielhaus Shakespeares "Der Widerspenstigen Zähmung". In den folgenden Jahren werden die Hamburger Kammerspiele seine Hauptwirkungstätte. Zusammen mit Ernst Schnabel, seit 1946 Chefdramaturg und Leiter der Abteilung "Wort" beim NWDR, richtet er eine Hörspielabteilung ein. Zusammen mit Schnabel entsteht im Winter 1946/47 das Drehbuch zum Film "In jenen Tagen", der ersten westdeutschen Spielfilmproduktion nach dem Krieg. Zusammen mit dem aus dem Exil zurückgekehrten "Nachrichter" Bobby Todd, der dann auch den Adam spielt, erarbeitet Käutner das Drehbuch zu "Der Apfel ist ab". Der Film kommt 1948 in die Kinos – ein Mißerfolg wie der wenig später entstandene Film "Königskinder", der zum Zusammenbruch von Käutners Produktionsfirma Camera führt. In Berlin, wo er am Hebbel-Theater mit Fritz Kortner Arthur Millers "Tod eines Handlungsreisenden" inszeniert, entsteht für Artur Brauners CCC der Film "Epilog" (1950). Die deutsch-jugoslawische Koproduktion "Die letzte Brücke" mit Maria Schell, die die Geschichte einer im Krieg mit den Partisanen kollaborierenden Ärztin erzählt, wird 1953 ein großer Erfolg an der Kinokasse. Ebenso geschätzt werden "Ludwig II – Glanz und Ende eines Königs" (1954), "Des Teufels General" (1954/55), "Ein Mädchen aus Flandern" (1955/56), "Der Hauptmann von Köpenick" (1956, mit Heinz Rühmann) und "Die Zürcher Verlobung" (1956/57). Erica Balqué ist häufig seine Regieassistentin. 1956 reist Käutner zum ersten Mal in die USA und handelt mit der Universal einen Sieben-Jahres-Vertrag aus, der ihm die Inszenierung eines Films pro Jahr zu optimalen Bedingungen garantiert. Zusammen mit Wolfgang Staudte und Harald Braun gründet Käutner 1957 in Hamburg die Freie Film Produktion GmbH, die eng mit der Real-Film und dem Europa-Filmverleih zusammenarbeitet. Jeder Gesellschafter soll pro Jahr einen künstlerisch anspruchsvollen Film machen können, jedoch nur "Der Rest ist Schweigen" (1959, mit Hardy Krüger) wird realisiert. Seine beiden 1957 und 1958 entstandenen Filme "The restless Years" und "Stranger in my Arms" nennt er "unglückliche Zwitter". Später kann Käutner nicht mehr im Kino Fuß fassen. Weder kann er sich mit dem neuen deutschen Film identifizieren, noch ins seichte Kommerzkino hinüberdriften. Die Alfred-Andersch-Verfilmung "Die Rote" (1962), wird, obgleich atmosphärisch dicht in der Kameraarbeit, ein Flop. Die letzte Kinoregie übernimmt Käutner für die "Lausbubengeschichten" (1964) nach Ludwig Thoma. In der Folge arbeitet er fürs Fernsehen (so 1971 als Darsteller in der Wilkie Collins-Verfilmung "Die Frau in Weiß") und inszeniert Fernsehspiele, u.a. nach Vorlagen von J.W. Goethe, Guy de Maupassant und Jean Anouilh. Eine darstellerische Glanzleistung gelingt ihm 1974 in der Titelrolle von Hans-Jürgen Syberbergs "Karl May". 1977 läßt er sich in der Toscana nieder. Helmut Käutner, Träger zahlreicher nationaler und internationaler Auszeichnungen, stirbt am 20. April 1980 in seinem Haus bei Castellina/Chianti. uvk
Literatur: CineGraph. Lexikon
zum deutschsprachigen Film. München: edition text & kritik
1977 ff.
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