"Asphalt" - Über den Film

Dieser Film wurde von den visuellen Möglichkeiten eines Milieus und ihren Einwirkungen auf das Leben seiner Menschen her geschaffen. Wenn man einen Film wirklich aus dem Milieu, ja weitgehend aus den Örtlichkeiten seines Geschehens gestaltet, entdeckt man, welchen Einfluß all diese Dinge auf das Spiel des Schauspielers und seine seelische Vertiefung haben können. Eine derartige Entwicklung läßt jeden Film erdhafter werden und bindet seine kleinen und großen Tragikomödien des Lebens zu einem starken und ergreifenden Furioso, denn sowohl die dichterische als auch die optische Entfaltung ist gebändigt innerhalb des großen Rahmens des Gesamtgeschehens. Infolgedessen unterstützen auch alle optischen Milieu-Einfälle die Verinnerlichung der Einzelszenen mit ihren seelischen Spannungen. Die Ausdrucksmöglichkeiten der Leinwand gestatten so eine intensive Bildgestaltung, die Verbundenheit mit der Umwelt schafft, und den Film aus dem fernen Geschehen des Einmaligen zu einem allgemein-ergreifenden Schicksal werden läßt. Auch der Ort der Handlung gibt in seinem Aufbau vielerlei Anlaß zu Bildmomenten, die, trotz ihrer scheinbaren Begrenztheit auf fast Richtiges, allergrößte Einwirkungen auf Menschenschicksale haben können. Betrachtet man nun im einzelnen das Leben in einer Straße, so kann diese reine Passage sein, es kann aber ebenso die Stimmung schicksalhaft in das Leben jedes Menschen eingreifen. Dann ist diese Straße nicht mehr Umgebung, nicht mehr Hintergrund, ein Schicksal reißt auf, der Weg eines Menschen wird verändert, natürlich, einfach und doch unerklärlich. Eine Kulisse lebt auf, ihre Ausstrahlungen ändern das Leben eines Menschen. Die Straße wird dann ein Symbol des menschlichen Lebens - ein unendliches Ineinanderfluten von Schicksalen.

in: Kritische Filmschau. Deutsche Filmzeitung, 12.4.1929