MaterialienFrauennot - Frauenglück
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Startseite zu 30 repräsentativen ZensurfilmenFrankensteinFreies Volk

In einem Jahre wurden allein in Europa bei zwei Millionen Frauen die heimliche Abtreibung durchgeführt ! Aus diesem millionenfachen Unglück greift dieser Film heraus: Eine Arbeiterfrau. Arbeitslos ist der Mann. Vier Kinder haben schon nicht genügend Nahrung. Ein fünftes ist unterwegs. [...] Ausweg ? Die heimliche Abtreiberin. Nur dieser Gedanke, das Kind soll nicht zur Welt kommen, beherrscht die Frau, lenkt sie durch den hastenden, jagenden, gleichgültigen Verkehr der Großstadt in die verschwiegene Gasse, zur „bewußten Adresse".[...]
Ein leichtsinniges Mädchen. Zufällige Bekanntschaft führt zum galanten Abenteuer. Lustiger Barbetrieb besiegt die Hemmungen. Liebe ? Für ihn war es ein Abenteuer. Für das Mädchen entsteht daraus das Martyrium der Millionen. Der flehende Brief an ihn fliegt zerrissen in den Papierkorb. Der Arzt kann und darf nicht helfen; denn das Gesetz verbietet. Allein, verlassen, mutlos, flüchet wieder ein Mensch in die Heimlichkeit. Sorglosigkeit der Lebensauffassung führte sie dahin.
Eine Arbeiterfrau. Fröhlich im jungen Eheglück, beschwingt durch die Erwartung kommender Mutterschaft. Ihr Mann, jung und lebensfroh, in guter Stellung, vernimmt von ihr in einer Arbeitspause die frohe Botschaft. „Auf Wiedersehen !" so scheiden sie zärtlich voneinander - um sich nie mehr zu sehen. Ein Fehlgriff, ein Sturz vom Kranenturm und ein Glück liegt in Trümmern. Eine Frau ist allein...
Die heimliche Abtreiberin. Grausam sind die rohen Eingriffe. Die erste Frau hat sich nach Hause geschleppt und ist zusammengerbrochen. Um Hilfe telefoniert der Mann. Sanitäter überführt sie in die Klinik. Bluttransfusion. Ärztliche Kunst im Kampf um ein Menschenleben. Schwangerschaftsunterbrechung in der Klinik durch ärztliches Attest, gefordert zur Erhaltung des Lebens der Frau. Hygiene ! Prüfung der Blutbeschaffenheit. Wissenschaft. Keimfreie, wissenschaftlich konstruierte Instrumente, geschulte Assistenz. Bei der Abtreiberin stirbt unterdessen das leichtsinnige Mädchen an den Folgen des dumpfen Nichtwissens, der Unsauberkeit; verblutet in großem Schmerz. Ihr Schrei hallt durch die engen Gassen. Folgen der heimlichen Abtreibung: Zuchthaus, Krankheit, Tod. Zerstörte Körperteile die Ursache von schleichenden, nie heilenden Krankheiten. [...]
Eine Frau soll Mutter werden. Ungünstig aber ist ihr Körper für die Geburt veranlagt. Messungen ergeben, daß das Becken zu eng ist. Notwendig wird die künstliche Entbindung. Der Kaiserschnitt. Peinlich hygienische Vorbereitung, geschulte Ärzte, Helferinnen mit umgebundenen Masken, Gummischützer an den Händen. Die Instrumente liegen bereit. Die Operation beginnt. Ruhige, wissende, sorgfältig schneidende Hände. Größer wird die Öffnung, tiefer geht der Schnitt, Blutgefäße werden unterbunden... Endlich nimmt der Chirurg das neue Menschlein aus dem geöffneten Mutterleib. Sein erster Schrei begrüßt die Welt. Rasch ist die Wunde verschlossen, vernäht. Die glückliche Mutter hält strahlend lächelnd ihr Kind im Arm. Wenige Tage [vergehen,] und eine dünne Narbe bleibt nur von der kunstvollen Operation.
Das Glücklichste: die normale Geburt! Vorbereitungen sind getroffen für alle Eventualitäten. Das wissenschaftliche Arsenal steht bereit, kontrolliert ist der mütterliche Organismus, sorgsam bewacht man die Frau. Eine letzte wehe Anstrengung der Mutter: Das Kind ist da! Schnell trennt es die Schere vom mütterlichen Organ und schon hält man den neuen Erdenbürger, wäscht, pudert, wickelt das schreiende, zappelnde Bündel. In vielen kleinen sauberen Bettchen liegen und schlafen Kinder, jedes schon ein Individuum, phlegmatisch oder lebhaft, hungrig alle.
Draußen ist das Gejage des Tages, dem sie sich einmal, jedes in seiner Art einreihen werden.

Nach:
Arbeiterbühne und Film, Nr. 7 (Juli 1930)