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W.S.
van Dyke II wird am 21.März 1889 in San Diego, CA als Sohn eines Advokaten
und einer Pianistin geboren. Der Vater stirbt am Tage nach seiner Geburt
und läßt die Mutter mehr oder weniger mittellos zurück.
W.S. van Dyke II verbringt daher seine Kindheit
mit der Mutter bei verschiedenen Wandertruppen, er hat seine erste Rolle
im Theater 1892. Später erhält er eine Ausbildung als Kaufmann und übt
die verschiedensten Metiers aus: Söldner in Mexiko, Minenarbeiter, Elektriker,
Metzger, und anderes.
Ab 1915 arbeitet er für Essanay in Chicago als
Drehbuchautor und Regie-Assistent, unter anderem angeblich für Charles
Brabin bei "The Raven" (1915). 1916 lernt er D.W. Grifffith kennen und
wird sein Assistent für alles, insbesondere bei "Intolerance" (1916/17).
Pathé engagiert ihn 1920 als Regisseur für den
15-teiligen Episodenfilm "Daredevil Jack", mit dem Schwergewichtsweltmeister
Jack Dempsey in der Hauptrolle. Dempsey ist bekannt dafür, seine Gegner
in Rekordzeit zu schlagen, also lernt van Dyke zwangsläufig, in Rekordzeit
zu filmen, woraus ihm der Spitzname "One Take" van Dyke erwächst. Wie
es in Hollywood üblich ist, macht ihn der Erfolg dieser Filme zu einem
"Episoden-Regisseur", er dreht auch mehrere mit Ruth Roland, der Hauptkonkurrentin
von Pearl White. 1924 inszeniert er sieben Western mit Buck Jones für
Fox. Bis 1928 arbeitet van Dyke in den verschiedensten Genres: Melodramen,
Gangsterfilme, Historienfilme, Kriegsfilme, außerdem einige (angeblich)
explizit pro-indianische Western, darunter z.B. sein erster Film für MGM:
"War Paint" (1926). 1927 dreht er "Winners of the Wilderness", der den
französisch-britischen Krieg behandelt, mit Timothy John McCoy (Tim McCoy)
- ein bekannter Kenner indianischer Gewohnheiten und Lebensweisen -, Chief
Big Tree und Joan Crawford. Dieser Film wurde glücklicherweise anläßlich
einer Retrospektive 1974 im Museum of Modern Art "wieder"gefunden, mit
einzelnen Sequenzen in Technicolor.
Dann beauftragt ihn David O. Selznick mit der Verfilmung
des Buches "White Shadows in the South Sea" von Frederick O'Brien, ein
Buch das in erster Linie gegen den Imperialismus der Weissen gerichtet
ist. Selznick weiß, was er tut, er will nicht irgendeinen Regisseur, er
will jemanden, der "on location" drehen kann. "White Shadows" wird der
erste Spielfilm Hollywoods, der am Handlungsort (hier der Südsee) gedreht
wird, ein Abenteuer ganz im Sinne des Regisseurs. Produktionschef Irving
Thalberg aber ist skeptisch und schickt einen zweiten Regisseur mit: Robert
Flaherty. Die Geschichten, die um diese Dreharbeiten kolportiert werden,
sind Legende, das Ergebnis aber ist ein Werk, das Luis Buñuel zu den zehn
besten Filmen der Welt zählt.
"Il faut admirer les regards, les silences, la délicate intimité de
ses couples nomades, libres, éternels voyageurs trouvant accomplissement
et mort dans un paysage sans limite: l'océan (Pacifique), la glace ("Eskimo"),
la brousse ("Trader Horn", "Tarzan"), ou la campagne isolée ("Hide Out")."
[Man muß die Blicke und das Schweigen bewundern, die delikate Intimität
dieser nomadischen Paare, freie, ewige Reisende, die in endlosen Landschaften
Erfüllung und Tod finden: den pazifischen Ozean in "White Shadows in the
South Sea", das Eis ("Eskimo"), den Dschungel ("Trader Horn", "Tarzan"),
oder das einsame Land ("Hide Out").]
Schon bald nach seiner Rückkehr im November 1928
wird van Dyke seinen ersten Tonfilm drehen, wieder im Pazifik. "The Pagan".
Louis .B. Mayer bestimmt als Hauptdarsteller Ramon Novarro, für ihn wird
es ebenso der erste Tonfilm. Der unersättliche Abenteurer van Dyke aber
hat nach zwei Filmen genug von der Südsee, will zu neuen Ufern. Seine
nächste Reise führt ihn nach Afrika. Mit Harrey Carey in der Titelrolle
verfilmt er die Geschichte des Elfenbeinhändlers Alfred Aloysius Smith
Horn als "Trader Horn". Dem Abenteuer im Film scheinen die Abenteuer der
Dreharbeiten mindestens ebenbürtig gewesen zu sein, van Dyke und seine
Crew bereisen den Kontinent acht Monate lang und bringen 60.000 m belichteten
Film zurück (die nicht verwendeten Filmmeter wird MGM erfolgreich für
jeden Dschungelfilm der nächsten 10 Jahre weiter verkaufen).
Aufgrund dieses umfangreichen Materials konnte
van Dykes nächster Afrikafilm im Studio gedreht werden: "Tarzan,
the Ape Man". Das größte Problem scheint die Suche nach einem geeigneten
Hauptdarsteller gewesen zu sein: selbst Clark Gable (neben Douglas Fairbanks
Jr., Joel McCrea und anderen) war als Tarzan im Gespräch. Der Drehbuchautor
Cyril Hume endeckte den Schwimmweltmeister Johnny Weissmuller in einem
Schwimmbad, und van Dyke engagierte den etwas schüchternen Mann vom Fleck
weg. Bereits kurz nach Erscheinen des Buches von Edgar Rice Burroughs
gab es die erste Serie von Verfilmungen, in denen die Figur des Tarzan
als eine Art erwachsener Mowgli, oder als Herr des Dschungels interpretiert
wurde. Erst van Dyke machte aus ihm den "Affenmenschen", der nur diese
Sprache spricht. Weissmuller wird bis 1948 elfmal die Rolle des Tarzan
vor der Kamera spielen, öfter und länger als irgendjemand sonst. Und seine
Nachfolger werden wieder saubere Pfadfinder werden.
Nach zwei Polizeifilmen kommt "The
Prizefighter and the Lady" (1932), eine ironische Komödie im Boxermilieu
ins Kino. Howard Hawks soll diesen Film begonnen haben, aber er hatte
ihn mit Clark Gable und Jean Harlow geplant und stieg nach dem Schauspielerwechsel
aus den Dreharbeiten aus. Auch über diese Entstehungsgeschichte gibt es
verschiedene Versionen. Fakt bliebt, daß aus dem Film doch eine Komödie
in Hawks'cher Manier wurde.
Dann begibt sich van Dyke auf seine nächste Reise,
dieses Mal ins Eis: "Eskimo", der ein riskanter Film für alle Beteiligten
wird. In der Zwischenzeit ändert sich die Arbeitsatmosphäre in den Studios:
der Produzent - allen voran der berüchtigte Irving Thalberg - will mehr
Kontrolle, die aber aufrecht zu erhalten ist schwierig, wenn man tausende
von Kilometern von Hollywood entfernt dreht. Also schickt Louis B. Mayer
van Dyke nach Arizona, um einen Film mit Ramon Novarro zu drehen. "Laughing
Boy" (1934) wird der einzige kommerzielle Mißerfolg, den van Dyke inszeniert
hat. Nun hat er die Mode der Abenteuerfilme begründet, die in weit entfernten
Ländern spielen und auch gedreht werden, und die immer mehr dem Exotismus
verfallen. Van Dyke distanziert sich von diesem Modetrend und dreht unter
dem Produzenten David O. Selznick (dessen Protegé er bereits zu Anfang
seiner Karriere war) "Manhattan Cocktail", für den Joseph L. Mankiewicz
die Dialoge schreibt. Clark Gable, William Powell und Myrna Loy spielen
die Hauptrollen. Mit letzteren beiden dreht er innnerhalb von 16 Tagen
"The Thin Man" (1934), aus Angst, einer der Produzenten könnte dazwischen
funken. Auch als der Film fertiggestellt ist, glaubt das Studio nicht
an einen Erfolg. Trotzdem erhält er zwei Oscar Nominierungen und stellt
den Beginn der Screwball Comedy dar (gemeinsam mit "It Happened One Night"
von Frank Capra aus demselben Jahr). Woodbridge Strong van Dyke II und
Frank Capra sind die beiden bestbezahlten Regisseure dieser Jahre, aber
nach dem Tod von Irving Thalberg ändern sich die Strategien der MGM wieder.
Van Dyke dreht in der Folge Musicals mit Jeannette MacDonald und Nelson
Eddy, Fortsetzungen von "The Thin Man", und den historischen Film "Marie
Antoinette" (1938). Sein letzter Film wird "A Journey for Margaret" (1941),
der von umherirrenden Waisenkindern im London der deutschen Bombardements
handelt.
Woodbridge Strong van Dyke II stirbt 53jährig
am 4. Februar 1943 in Hollywood an einem Herzinfarkt.
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